Lignocellulose verleiht den Zellwänden aller Bäume und verholzten Gewächse ihre Struktur. Sie besteht aus Cellulose, Hemicellulosen und Lignin. Die Papierindustrie nutzt die Cellulose, um daraus Papier und Zellstoff herzustellen. Lignin fällt dabei als Abfallprodukt an und wird zurzeit größtenteils thermisch verwertet, also verbrannt. Das Potenzial für eine höherwertige Nutzung ist jedoch groß, denn Lignin enthält bereits aromatische Strukturen. Es eignet sich daher als Grundbaustein für chemische Produkte wie Farben, Klebstoffe, Kunststoffe und Kunstfasern. Somit ist Lignin chemisch betrachtet ein ungehobener Schatz. Durch die Verwendung von Lignin könnte man große Mengen an petrochemischen Rohstoffen einsparen.
Die Nutzung von Lignin ist jedoch nicht trivial, denn die »Anschlussstellen« und die »Form« des Lignins unterscheiden sich sehr von denen petrochemischer Rohstoffe. Man kann sich Lignin als ein Puzzleteil vorstellen, das nirgendwo hineinpasst. Die Herausforderung besteht also darin, Anwendungen zu finden, für die die besondere Struktur von Lignin vorteilhaft ist. Die Zusammenarbeit mit der Weißensee Kunsthochschule Berlin setzt genau hier an. Designschaffende denken von Haus aus quer und können Entwicklungsprozesse mit ihrer unkonventionellen Sicht- und Herangehensweise bereichern. Sie sind dazu ausgebildet, mit Hilfe von Kreativtechniken konkrete und funktionale Lösungen zu finden. Gemeinsam identifizieren wir geeignete Anwendungen für Lignin und setzen diese in Prototypen um. Außerdem entwickeln wir eine passende Kommunikationsstrategie, um die neuen Produkte der Fachwelt und der Öffentlichkeit näher zu bringen. Damit möchten wir den Weg für eine erhöhte Nutzung von Lignin in chemischen Erzeugnissen ebnen.
Gleichzeitig dient uns das Projekt als Modellprojekt für die Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Design. Anhand der konkreten Forschungs- und Entwicklungsarbeit zum Thema Lignin entwerfen wir neue Konzepte für die Kontaktbildung und den fruchtbaren Austausch zwischen Forschenden, Kunst- und Designschaffenden. So soll eine nachhaltige Zusammenarbeit entstehen, die sich in anderen Projekten fortsetzen lässt.
Das Projekt wird vom 2018 gegründeten Fraunhofer-Netzwerk »Wissenschaft, Kunst und Design« finanziert. Das Netzwerk fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Anwendung von künstlerischen Methoden in der Wissenschaft. Die gegenseitige Inspiration öffnet den Blick für ungewöhnliche Forschungsansätze zur Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen.