Fraunhofer WKI baut Bühnenbild mit Pilzmyzel für das Staatstheater Braunschweig
Forschende am Fraunhofer WKI haben gemeinsam mit dem Partner Protohaus gGmbH für das Staatstheater Braunschweig ein Bühnenbild aus einem innovativen Zukunftsmaterial angefertigt. Die Oberfläche der Berglandschaft im Theaterstück »Funken« ist mithilfe von Pilzmyzel entstanden. Der ökologische und recyclingfähige Baustoff besteht aus Elefantengrasfasern, die mit Myzel durchwachsen sind. Das Bühnenbild veranschaulicht das Potenzial des Bauens mit Pilzmyzel auf kreative Weise für die breite Öffentlichkeit. Auch die Lampenschirme, die auf der Bühne zu sehen sind, sind mit Myzel hergestellt, das in einem innovativen Verfahren heißgepresst wurde.
Die Forschenden am Fraunhofer WKI machen sich mit dem Partner Protohaus die Tatsache zu Nutze, dass manche Pilze in der Lage sind, fast alle organischen Stoffe wie Stroh oder Sägespäne zu zersetzen. Als Myzel wird die Gesamtheit der fadenförmigen Zellen des Pilzes bezeichnet. Das Myzel bildet bei der Zersetzung von organischen Materialien ein dreidimensionales Netzwerk, aus dem sich eine selbstragende Struktur ergibt. Bei dem Stoffwechselprozess werden Substrate, wie die verwendeten Elefantengrasfasern, vom Myzel durchzogen. Dabei ergibt sich ein weiches, schwammartiges und rein organisches Verbundmaterial, das in jegliche gewünschte Form gebracht werden kann. »Das Myzel hat sozusagen die Funktion eines biologisch gewachsenen Klebstoffs«, fasst Henrik-Alexander Christ, Wissenschaftler am Fraunhofer WKI, zusammen.
Die gewünschte Form bestand in diesem Projekt für das Bühnenbild des Theaterstücks »Funken« in einem Berg mit Höhleneingängen. Das Staatstheater Braunschweig stellt das partizipative Jugendtheaterstück »Funken« von Till Wiebel in das Zentrum seiner Nachhaltigkeitsbestrebungen. Mit dem Regiedebüt von Emel Aydoğdu adressiert es speziell ein junges Publikum. Das zeitgenössische Stück handelt von den Erlebnissen des dreizehnjährigen Protagonisten Malte im Ferienlager. Das Myzel spiegelt sich als zentrales Motiv bei der praktischen Umsetzung des Projekts aber auch auf inhaltlicher Ebene wider: In der Natur bilden Myzele Netzwerke, Bäume und Pilze gehen Symbiosen ein, auch der Protagonist Malte findet sich in der Rolle des Netzwerkers wieder. Gleichzeitig soll das Theaterstück die Vernetzung des Staatstheaters in der Stadt und zu Kooperationspartnern wie dem Fraunhofer WKI und dem Protohaus zum Ausdruck bringen.
Am Fraunhofer WKI nutzten die Forschenden die Gelegenheit zu zeigen, welche Potenziale im Bauen mit Myzel stecken. »Durch die Verwendung von organischen Substraten, wie Fasern aus Elefantengras, können wir Reststoffe verwenden, um einen 100 Prozent biobasierten, abbaubaren, nachwachsenden und energiearmen Baustoff herzustellen. Mit verschiedenen Verfahren können die gewünschten Eigenschaften und Leistungsmerkmale des Baustoffs wie Textur, Festigkeit, Elastizität und Faserorientierung gesteuert und gezielt erzeugt werden«, erläutert Dr. Steffen Sydow, Wissenschaftler am Fraunhofer WKI.
Die strukturgebenden Elemente im Inneren des Berges bestehen aus Holz und wurden vom Staatstheater angefertigt. Für die Oberfläche des Berges haben die Projektpartner im Protohaus das Substrat aus Elefantengrasfasern mit Myzel angesetzt und durchwachsen lassen. Im Technikum des Fraunhofer WKI haben die Forschenden mithilfe der Holzrahmen vom Staatstheater die Formgebung, Verklebung sowie die Oberflächenbehandlung vorgenommen. »Wir haben die Rahmen mit dem Material vom Protohaus befüllt. Dabei hatten wir das Ziel, eine hügelige Struktur nachzubilden. Es ist uns so gelungen, eine dreidimensionale Anmutung eines Berges zu erreichen. Die Rahmen wurden dann in einer Klimakammer unter hoher Luftfeuchtigkeit behandelt. So ergibt sich eine schöne glatte Oberfläche«, erläutert Christ. Durch den abschließenden Trocknungsvorgang wird das Myzel inaktiviert und an weiterem Wachstum gehindert.
Außerdem haben die Forschenden Lampenschirme für die Leuchten auf der Bühne hergestellt, berichtet Dr. Sydow: »Mit den Lampenschirmen konnten wir die Kompetenz des Fraunhofer WKI noch auf eine weitere Weise unter Beweis stellen: Die pilzartig geformten Schirme bestehen aus teilweise heißgepressten Myzelmaterialien. Es gibt zahlreiche weitere Einsatzmöglichkeiten für heißgepresste Myzelmaterialien, an denen wir sehr gern weiterforschen würden.«
Der leichte und stabile Bio-Verbundwerkstoff könnte künftig zum Beispiel in der Baubranche eingesetzt werden. Dort könnten Dämmplatten oder MDF-ähnliche Platten für den Innenausbau mit dem innovativen Verfahren hergestellt werden. Die zahlreichen positiven Eigenschaften des Materials – es ist wärmedämmend, isolierend, feuchtigkeitsregulierend und darüber hinaus brandbeständig – könnten so genutzt werden. »Die Einsatzbereiche von myzelbasierten Materialien sind vielseitig. Daher freuen wir uns über die Gelegenheit, dem Publikum des Theaters Braunschweig einen Einblick in die Anwendungsmöglichkeiten dieses zukunftsweisenden Bio-Verbundwerkstoffs zu geben«, sagt Christ.
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